Klinikaufenthalt – Ein Weg Richtung Gesundheit

Ich denke jeder der einmal eine Essstörung hat, stand oder steht vor dieser Frage. Als bei mir die Essstörung diagnostiziert wurde, war das Wort „Klinik“ für mich ganz weit entfernt. Ja, ich bin ehrlich, ich dachte noch, dass wäre nur was für Verrückte und ich könnte doch nie im Leben in eine Klinik gehen, vor allem so krank war ich doch gar nicht. In eine Klinik geht man, wenn es einem super schlecht geht oder man gleich tot umfällt. Aber ich doch nicht? Ich meine, ich war ja nicht arg im Untergewicht und überhaupt, ich schaffe das auch wieder selbst daraus. Und oh Gott, noch viel schlimmer, was sollten denn meine Freunde oder auch meine Familie denken, wenn Sie das hören?? Die denken doch ich hab sie nicht mehr alle und wäre total hilflos. Ich in eine Klinik? NIEMALS. 

Meine Erfahrung

Ja, dass war meine Einstellung zu Beginn. Dann hab ich also versucht gesund zu werden mit ambulanter Therapie. Hat geklappt – nicht. Vor allem, weil mir in der ambulanten Therapie damit „gedrohnt“ wurde, dass wenn ich eine bestimmte Gewichtuntergrenze erreiche, dann in eine Klinik eingewiesen werde. Damit wurde mir der Gedanke an eine Klinik natürlich nur noch verschlimmert. NIE im Leben wollte ich in eine Klinik. Schon gar nicht während ich mitten im Abiturstress war. Klinik war deshalb für mich immer damit verbunden, dass es ein Zwang von meinen Eltern und den Therapeuten war. Dabei bin ich nicht auf die Idee gekommen, dass es vielleicht wirklich eine Hilfe wäre.

Oder ja, vielleicht wusste ich auch insgeheim, dass es mir helfen könnte. Aber ich hatte Angst. Ja wir wissen doch alle, dass man in einer Klinik wirklich einen krassen Essens- und Gewichtsplan bekommt. Dort kann man sich nicht mehr aussuchen, was man isst, sondern man wird „gezwungen“ sich all seinen Fearfoods aufeinmal zu stellen und man „muss“ zunehmen. Man muss Kontrolle loslassen und Hilfe annehmen. Aber das konnte ich noch nicht, ich wollte selbst bestimmen, was ich esse und dachte ich komme da selbst raus. Jetzt, wünschte ich, ich hätte früher erkannt, dass das nicht klappt. Also auch wenn ihr denkt, ihr schafft das alleine da raus (ich will euch nicht die Hoffnung nehmen), aber glaubt mir es ist um Einiges schwerer als ihr denkt.

Wenn ihr also die Möglichkeit habt: GEHT IN EINE KLINIK.

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Ich muss sagen, ich hab es nie bereut. Ich habe es nur bereut, dass ich mich leider nicht komplett auf die Therapie eingelassen habe. Ich habe immer noch insgeheim Dinge getan, die ich den Therapeuten nicht erzählt habe und habe mich nicht komplett meinen Ängsten gestellt. Aber tut das nicht. Geht offen an die Sache ran und sagt euch immer wieder, dass die Ärzte da nur das Beste für euch wollen.

Anfangs kommt euch alles viel zu viel vor und ihr werdet viel weinen. Ja es ist eine absolut emotionale Zeit. Es wird schwer. Aber es ist es sowas von wert. Was mir auch wirklich geholfen hat, waren die Anderen dort. Natürlich, man muss auch sagen, dass Andere auch triggern können, ABER daran muss man sich gewöhnen, weil im Alltag wird man genauso auf Menschen treffen, die einen triggern und somit lernt ihr damit umzugehen. Aber jeder der da ist, oft auch alle mit verschiedenen Essstörungen, versteht euch. Ihr habt die gleichen Probleme und zusammen ist man stark. Man kann sich gegenseitig aufbauen und fühlt sich in dem Kampf nicht mehr so alleine.

Du bist nicht alleine

Außerdem sieht man, dass jeder „so viel“ (wie es einem dort noch vorkam) isst und essen muss. Das hat es mir sehr erleichtert und es war auf einmal kein Problem mehr die vorgegeben Portionen zu essen.

Ich, hatte leider nicht sehr Glück mit meinem Therapeuten Team, aber das kann passieren. Ich habe jedoch Therapeuten von anderen Stationen kennen gelernt und gesehen, wie hilfreich Therapie sein kann und was für tolle Therapeuten es gibt.

Deine Vorteile

  • Du hast ein großes Team an Therapeuten und Ansprechpartner, die 24h für Dich da sind und zu denen du immer mit deinen Problemen kommen kannst.
  • Du bist nicht alleine. Du hast Mitpatienten, die dich verstehen und mit denen du dich über Themen austauschen kannst, die deine „normalen“ Freunde selten nachvollziehen können.
  • Du bist gezwungen Dich deinen Ängsten zu stellen, du kannst nicht länger dich, um alles herum drücken, sondern lernst, dass deine Ängste unbegründet sind.
  • Du hast ein riesen Angebot an tollen Therapieformen, die du so sonst nie hättest. Die meisten Kliniken bieten neben der Einzeltherapie, auch Gruppen-, Kunst-, Bewegungs-, Antidepressionstherapie und reichlich andere Formen an, die dir helfen können.
  • Du bist aus deinem „kranken“ Alltag heraus. Das kann zwar auch zum Nachteil werden, wenn man rückfällig wird, weil es zuhause eben alles anders ist, ABER anfangs kann es sehr hilfreich sein, um sich seinen Ängsten zu stellen, wenn man in einer anderen Umgebung ist.
  • Deine Freunde und deine Familie werden erleichtert sein. Ganz im Gegenteil, wie du vielleicht denkst, dass man denkt du bist „verrückt“, denken die Leute eher, wie mutig zu bist. Ja du kannst stolz auf dich sein, den Schritt zu wagen und in eine Klinik zu gehen und glaub mir deine Lieben zuhause werden froh sein, dass du Hilfe annimmst und dich dabei unterstützen.
  • Du hast geregelte Mahlzeiten. Du musst dir keine Gedanken darüber machen ,was du isst und musst auch nicht selbst kochen. Somit bekommst du einen Essensplan und kannst dich vollkommen darauf konzentrieren.
  • Du wirst gesundheitlich beobachtet. Ja nicht nur dein Gewicht wird überwacht, sondern auch deine Blutwerte und jegliche andere körperliche Beschwerden, sodass du auch sehr gute medizinische Hilfe erhältst, wenn du Diese brauchst.
  • Challenges kannst du mit Anderen zusammen meistern und dann sind sie nur noch halb so schwer.
  • Du hast mal wirklich Zeit zum gesund zu werden und es gibt keinen Alltag der dich davon ablenkt. Es ist DEINE ZEIT. Du kannst endlich mal das tun, was dir gut tut und keine Ausreden finden, warum du dich in den Hintergrund stellst.
  • Du wirst schneller gesund. All das könntest du auch irgendwie zuhause organisieren, aber das dauert. So hast du es einmal geballt und umso schneller du gesund wirst, umso schneller kannst du wieder ein normales Leben führen.

Fazit

Ich kann euch einen Klinikbesuch wirklich ans Herz legen. Ich sehe eigentlich keine Nachteile. Auch wenn Viele nach dem Besuch wieder rückfällig werden und dann vielleicht nochmal, oder sogar mehrmals in eine Klinik zurück müssen: Jeder Klinikaufenthalt bringt etwas. Und eine Mitpatientin, die schon öfter da war hat mal gesagt: „Wäre ich das erste Mal nicht in der Klinik gewesen, wäre ich jetzt nicht mehr hier.“ Man sollte nicht erwarten nach einem Klinikaufenthalt komplett geheilt zu sein. Nein, es ist noch eine Menge Arbeit zuhause und vielleicht sind noch weitere Aufenthalte notwendig, aber man ist ein Schritt näher an dem Ziel gesund zu sein. Also geh diesen Schritt.

Ps. Übrigens war ich in Prien in der Schön Klinik.

Mehr Infos zur Klinik und zur Recovery findet ihr übrigens in meinem Recovery Guide 

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